Kampf von Bechert gegen Atomwaffen wieder tagesaktuell
Der Kampf des früheren Gau-Algesheimer Bürgers Prof. Dr. Karl Bechert gegen Atomwaffen ist durch die Aufkündigung des INF-Vertrages durch die USA und Russland wieder tagesaktuell geworden. Aus diesem Grund hat die Sozialdemokratische Bildungsinitiative Gau-Algesheim (SBi) zusammen mit der Carl-Brilmayer-Gesellschaft (CBG) an dessen Todestag zu einer gut besuchten Gedenkveranstaltung aufgerufen.
Der SBi-Vorsitzende Klaus Leibenath begrüßte die Teilnehmer an seinem Gedenkstein auf dem Gau-Algesheimer Friedhof. Er verwies auf die gefährliche und reaktionäre Forderung nach perfektionierten atomar-strategischen Waffen, die in Büchel ganz in der Nähe auf rheinland-pfälzischem Boden gelagert werden. Er rief dabei ganz im Sinne von Bechert zur Stärkung der Friedensbewegung auf.
Für die CBG ließ Dr. Michael Kemmer die Erinnerung an den Bürger Bechert aufleben, der neben seinem Bundestagsmandat und der Leitung des Institutes für theoretische Physik an der Universität Mainz auch auf kommunaler Ebene in der Stadt und im Landkreis Mainz-Bingen aktiv war und nebenbei noch Zeit fand, in der evangelischen Kirche Orgel zu spielen. Kemmer blickte auch auf seine persönlichen Kontakte aus Anlass von Besuchen seiner Eltern bei Bechert zurück: „Aber was redet ein Physiker mit einem 16-jährigen?“ Er nannte Bechert unbestechlich und klar in seinem Urteil, was durchaus auch zu Auseinandersetzungen führte.
Dr. Gottfried Schüz, Vorsitzender der Stiftung „Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum“, würdigte das Zusammenwirken Becherts mit dem – wie er sich selbst nannte – „Waldarzt“ und Friedensnobelpreisträger Prof. Dr. Albert Schweitzer. Zwei in ihrer Persönlichkeit sehr unterschiedliche Menschen verband ein gemeinsames Ziel: Die Verhinderung der atomaren Bewaffnung und die Einstellung der Atomwaffenversuche. Sie hatten sich nur ein einziges Mal kurz getroffen, pflegten aber einen Intensiven Gedankenaustausch per Briefpost. Trotz mehrfacher Bemühungen konnte Schweitzer die Einladung zu einem Besuch in Gau-Algesheim leider nie umsetzen.
Um deren Lebenswerk zu verdeutlichen, hatte die SBi eine Lesung aus der ihr von der Familie Bechert zur Verfügung gestellten Korrespondenz vorbereitet. Dabei übernahm Dr. Schüz die Rolle von Schweitzer, während SBi-Vorstandsmitglied Günter Frey die Person Bechert darstellte. Beide hatten ihren ganz eigenen Stil:
Schweitzer war es, der die kulturphilosophischen Aspekte betonte, während es Bechert als Atomphysiker war, der in wissenschaftlich-akribischer Weise z.B. die Auswirkung der radioaktiven Strahlung auf das menschliche Leben aufzeigte und Schweitzer so fachlich unterstützte. Er schilderte aber auch die lebhafte politische Diskussion mit der in den 50er-Jahren dominierenden CDU-Mehrheit. Es war auch spannend zu verfolgen, wie sich im Laufe der Kontakte die Anrede „Sehr verehrter Herr Professor!“ in ein „Lieber Freund!“ wandelte. So blieb es nicht aus, dass auch Privates mitgeteilt wurde, wie der Bau des Hauses in der Kirchstraße, die gemeinsame Liebe zur Musik, die Handverletzung, die das Schreiben behinderte, oder die Arbeitsbelastung in Lambarene.
Ganz im Sinne beider Musikliebhaber wurde die Lesung von Musikstücken begleitet, bei denen Dr. Schüz Saxophon und seine Lebensgefährtin Sibylle Helmer Cello spielten. Damit war zusammen mit den inhaltlichen Beiträgen eine für die Zuhörer lebendige aber auch nachdenkliche und emotionale Stimmung geschaffen. Man war sich einig. In Anbetracht der globalen Herausforderung gilt weiterhin das Motto von Bechert: „Wehrt euch! Leistet Widerstand!“. Oder wie Bechert im seinem letzten Brief aus Anlass des 90. Geburtstages von Schweitzer schrieb: „Was Sie getan haben und tun, leuchtet als Beispiel durch die Torheit und Gefahr unserer Zeit.“
Das den Dankesworten von Klaus Leibenath an die Akteure folgende gemütliche Beisammensein im Karl-Bechert-Haus bot den Gästen beim Imbiss eine gern genutzte gute Gelegenheit zum Austausch über das Engagement beider Persönlichkeiten.