Karl Bechert – Physiker
Karl Bechert war ein deutscher theoretischer Physiker und Politiker der SPD.
Geboren: 23. August 1901, Nürnberg
Gestorben: 1. April 1981, Weilmünster
Karl Bechert wurde am 23. August 1901 in Nürnberg geboren. Nach dem Studium der Physik, Mathematik und Chemie in München promovierte er 1925 zum Dr. phil.
1925 – 1926 arbeitete er als Rockefeller-Stipendiat in Spanien. 1926 – 1933 war er wissenschaftlicher Assistent am Institut für theoretische Physik, nach seiner Habilitation im Jahre 1930 zugleich Privatdozent für theoretische Physik in München.
1933 wurde Bechert Ordinarius und Direktor des Instituts für theoretische Physik in Gießen. Dort hatte er in den Jahren 1945/46 das Rektoramt inne.
1942 – 1948 war er Vorsitzender des Gauvereins Hessen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
1946 folgte Bechert dem Ruf als Ordinarius und Direktor des Instituts für theoretische Physik an die Universität Mainz, an der er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1969 lehrte. Er war Mitglied in der Senatskommission für Atomfragen und den Staatskommissionen für Schulfragen und das Mainzer Kolleg. 1957 wurde er zum Ehrensenator der Universität Gießen ernannt, an deren Wiederaufbau in den Nachkriegsjahren er maßgeblich beteiligt war und deren Schließung er in seiner Amtszeit als Rektor verhindert hatte.
1963 wurde er zum Auswärtigen Mitglied der Norwegischen Akademie der Wissenschaften gewählt. Für den Friedens-Nobelpreis schlug Bechert 1963 Bertrand Russell vor.
Seine ethischen und politischen Grundsätze und seine Vorstellungen über die Verantwortung der Wissenschaft vertrat er seit 1955 als Mitglied der von Albert Einstein und anderen namhaften Wissenschaftlern gegründeten „Society for Social Responsibility in Science“ (SSRS). 1971 wurde er zum Präsidenten der „Internationalen Gesellschaft für Verantwortung in der Wissenschaft“ gewählt.
Nach dem Einmarsch der Amerikaner wurde Bechert 1945 zum Bürgermeister in Donsbach (Westerwald) und zum Oberschulrat in Dillingen ernannt. Im Auftrag der Militärregierung baute er dort die Oberschule wieder auf. Im Juni 1945 folgte Bechert dem Ruf an die Universität Gießen. Hier war er in den Jahren 1945 – 46 ebenso wie von 1956 – 1964 in Gau-Algesheim als Stadtrat, und in Gau-Algesheim zusätzlich als Erster Beigeordneter und von 1956 – 1960 als Kreistagsabgeordneter des Landkreises Bingen in der Kommunalpolitik aktiv. Er befaßte sich mit Fragen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus der Region und setzte sich für die sozialen Belange seines Wahlkreises ein.
Seit 1955 war er Mitglied im Arbeitskreis „Kirche und Politik“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
Als Vorsitzender der Landesvereinigung zur Erhaltung und Förderung der christlichen Simultanschule in Rheinland-Pfalz wandte er sich in den 50er Jahren gegen die Konfessionalisierung des öffentlichen Lebens und die Diskriminierung nicht-katholischer Lebensgemeinschaften.
1956 trat Bechert der SPD bei und wurde 1957 für den Wahlkreis 126 (Waldeck) als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag gewählt. Sein Mandat übte er bis 1972 aus. Von 1962 – 1965 war er Vorsitzender des Ausschusses für Atomenergie und Wasserwirtschaft. Im Ausschuß für das Gesundheitswesen war er lange Jahre Mitglied.
Zentrales Thema seines politischen Wirkens, sowohl als MdB als auch in seinen ehrenamtlichen Funktionen in verschiedenen Initiativen und Vereinigungen, war der Kampf gegen die zivile und militärische Nutzung der Atomenergie. Bereits in den 50er Jahren nahm er Stellung gegen die atomare Bedrohung und forderte einen Teststop für Atomwaffen und den radikalen Abbau der Atomrüstung in Europa.
Daneben widmete er sich als Mitglied des kulturpolitischen Ausschusses beim Parteivorstand und als Erster Vorsitzender des Hauptvorstandes der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer bildungs- und kulturpolitischen Fragen.
Für die Friedrich-Ebert-Stiftung war er Beauftragter für die Hochbegabtenförderung und Mitglied im Prüfungsausschuß.
Sein gesellschaftspolitisches Engagement beschränkte sich nicht auf die Bundestags- und Parteiarbeit. Er führte den Kampf für seine umwelt- und friedenspolitischen Ziele in verschiedenen Initiativen und Vereinigungen, die diesen Zielen verpflichtete waren.
Bereits in den 50er Jahren war er Mitglied im Kuratorium der Deutschen Friedensgesellschaft, im Vorstand des Kampfbundes gegen Atomschäden und im Wissenschaftlichen Rat der Internationalen Gesellschaft für Nahrungs- und Vitalstoff-Forschung. Auch im Deutschen Naturschutzring und im Weltbund zum Schutz des Lebens arbeitete er mit.
In den 70er Jahren unterstützte er vor allem mit dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), in dem er ebenfalls Mitglied war, die Anti-Atom-Bürgerinitiativbewegung und lieferte ihr wichtige Argumente. Für deren Verbreitung sorgte er im „Prof. Bechert Informationsdienst“.
So wie er sich 1958 in seinem Aufruf gegen die Errichtung von Abschuß-Rampen für Atomraketen in der Bundesrepublik gewandt hatte, focht er Ende der 70er Jahre gegen die Entwicklung und Stationierung der Neutronenbombe.
Sein beschwörender Appell „Aufruf an alle Bürger Europas“ vom Oktober 1980 und seine Mitwirkung am Krefelder Forum vom 15. November 1980 und am „Krefelder Appell“ gegen weitere Atomrüstung in Europa waren seine letzten Beiträge zur Unterstützung der Friedensbewegung. An der Friedenskundgebung am 04.04.1981 in Bonn anläßlich der Tagung der Nuklearen Planungsgruppe, für die er als Hauptredner vorgesehen war, konnte er nicht mehr teilnehmen.
Karl Bechert starb am 1. April 1981 in Weilmünster-Möttau (Hessen).
Der Nachlaß Karl Bechert wurde dem Archiv der sozialen Demokratie 1982 von dessen Sohn, Prof. Johannes Bechert, übergeben. Nach der Ordnung beläuft sich der Umfang des Nachlasses auf 9,30 lfm.
Der Nachlaß befand sich bei der Übergabe in ungeordnetem Zustand. Der Nachlasser hatte offensichtlich keine Registraturordnung vorgenommen. Das Schriftgut war z.T. in zufälliger Form zusammengefügt und auseinandergerissen worden und bot so keine inhaltlich zusammengehörenden Einheiten. In mühevoller Arbeit mußte dieses Schriftgut strukturiert und zusammengefügt werden.
Das Ordnungs- und Verzeichnungsschema für die überlassenen Akten orientiert sich an der Biographie Karl Becherts. Neben den Aktengruppen Persönliche Unterlagen, Publikationen und Allgemeine Materialsammlung wurden den verschiedenen Sachakteneinheiten, soweit es sinnvoll erschien, die zugehörige Korrespondenz vorangestellt oder, sofern nicht zu umfangreich, eingefügt. Lediglich die verbleibende Korrespondenz, die keinen eindeutigen Zusammenhang zu den Sachakten aufzuweisen hatte, wurde der alphabetisch geordneten „Allgemeinen Korrespondenz“ zugeordnet. Die Korrespondenz Karl Becherts mit Albert Schweitzer über die Gefahren von Kernwaffenversuchen beispielsweise befindet sich nicht unter der Akteneinheit „Allgemeine Korrespondenz“, sondern in der Sachakte „Soziale Bewegungen, Anti-Atom-Bewegung, Kernwaffenversuche und radioaktive Verseuchung“.
Vereinzelte thematische Überschneidungen zwischen Allgemeiner Korrespondenz und Sachakten waren nicht zu vermeiden.
Zu der Einheit „Publikationen“ wurden die zahlreichen Veröffentlichungen, Manuskripte und Leserzuschriften zusammengefaßt. Die darin enthaltene Vielzahl an veröffentlichten und zur Veröffentlichung bestimmten Leserbriefdurchschriften belegt Becherts Bestreben, seine wissenschaftlichen und politischen Positionen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
In den 70er Jahren brachte er zu diesem Zweck seinen eigenen „Prof. Bechert Informationsdienst“ heraus. Dieser Informationsdienst enthält Zusammenstellungen von Stellungnahmen Karl Becherts und Informationsmaterialien zu aktuellen umweltpolitischen Fragen. Soweit die Informationsmaterialien im Zusammenhang erhalten waren, wurden sie der Akteneinheit „Prof. Bechert Informationsdienst“ zugeordnet. Weitere vollständige Informationsdienste aus der Fülle des Aktenmaterials zu rekonstruieren war unmöglich, so daß sich einzelne Teile des Info-Dienstes in anderen Aktengruppen, z.B. unter „Publikationen“, befinden können.
Die Sachakten enthalten entsprechend der Biographie Becherts in unterschiedlicher Dichte Material aus seiner kommunalpolitischen Tätigkeit, seinem Wirken in Universität und Wissenschaft, als MdB der Sozialdemokratischen Partei, und diversen Initiativen und Vereinigungen, u.a. der Landesvereinigung zur Förderung der christlichen Simultanschule, der Anti-Atom-, Umwelt- und Friedensbewegung.
Becherts zentrale politische und wissenschaftliche Anliegen in Sachen Umwelt- und Friedenspolitik können in seinem Nachlaß in allen Akteneinheiten nachgezeichnet werden. Augenfällig und gewissermaßen repräsentativ für sein Politikverständnis ist der geringe Umfang des Schriftgutes aus seiner Parteiarbeit im Vergleich mit dem umfangreichen Material, das der Aktengruppe „Soziale Bewegungen“ zugeordnet werden konnte.
Der Nachlaß belegt, daß Karl Bechert als Vorkämpfer der Friedens- und Umweltbewegung angesehen werden kann. Dies entspricht auch dem Selbstverständnis, das Bechert von seiner Arbeit gehabt hat.
Eine Zusammenfassung seines Wirkens finden Sie hier…