Carl-Brilmayer-Gesellschaft und SBI auf Spurensuche
An einem sonnigen Julitag (19.07.2014) reisten 40 Mitglieder der Sozialdemokratischen Bildungsinitiative (SBi) und der Carl-Brilmayer-Gesellschaft mit dem Bus ins benachbarte Elsass, um dort Spuren von Albert Schweitzer, Karl Bechert und Peter Bischof aufzunehmen. Dazu hatten die Reiseleiter Günter Frey und Dr. Michael Kemmer entlang der stattlichen Route zahlreiche Orte ausgewählt, an denen die Erinnerung an die gemeinsamen Veranstaltungen zu Albert Schweitzer (1875 – 1965) und Karl Bechert (1901 – 1981) sowie an den Baumeister des 15. Jahrhunderts Peter Bischof von Algesheim (um 1430 – nach 1480) aufgefrischt und erweitert werden konnten.
Die erste Etappe führte nach Günsbach im Münstertal westlich von Colmar zu den Anfängen von Albert Schweitzer. Von seiner Kindheit und Jugend sowie den wissenschaftlichen, politischen und charitativen Tätigkeiten künden viele Zeugnisse im Wohnhaus der Familie Schweitzer und im großen Schulsaal. Voller Stolz wussten die ortskundigen Führer von einem Mann zu berichten, in dessen Leben sich sowohl die wechselvolle Geschichte der Elsässer in den letzten beiden Jahrhunderten als auch die europäisch-afrikanische Geschichte im ausgehenden Kolonialismus widerspiegeln.
Karl Bechert, Professor für Theoretische Physik in Mainz, wohnte von 1946 bis 1978 in Gau-Algesheim, zuerst in der Kirchstraße 6, dann im ehemaligen Eickemeyer-Haus in der Kloppgasse 6 und seit 1959 in der Kirchstraße 22. Als öffentlich präsenter Gegner der Atomenergie und der atomaren Bewaffnung hatte Bechert Albert Schweitzer in den 50er-Jahren eingehend in allen Fragen der Atompolitik beraten. Gemeinsam hatten sie die Öffentlichkeit vor der nicht beherrschbaren atomaren Technologie und vor einem Atomkrieg gewarnt. Sie waren, jeder auf die ihm eigene Weise, Vorkämpfer einer umfassenden Friedenspolitik.
Die Fahrt nach Straßburg und Neuwiller führte in die letzte Phase des Münsterbaus um 1480 zurück, als die Baumeister der Münsterhütte den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Bildhauerei verlegen mussten. Bereits im Jahre 1459 war der knapp 30jährige Baumeister Peter Bischof von Algesheim der Straßburger Steinmetzbruderschaft beigetreten und hatte gelobt, „das Buch zu halten“, d.h. sich an die Regeln der Ordnung der Steinmetzen zu halten. Am Markustag 1459 hatten sich in Regensburg Meister und Gesellen der süddeutschen Steinmetzenbruderschaften versammelt und unter der Leitung des Meisters der obersten Bauhütte in Straßburg Jost Dotzinger von Worms die erste überregionale Vereinigung der Steinmetzen gegründet, die als „Straßburger Ordnung“ in die Geschichte von Baukunst und Bauhandwerk, aber auch der Freimaurerei eingegangen ist.
Peter Bischof schuf 1478 in der Abteikirche St. Peter und St. Paul zu Neuwiller ein Heiliges Grab, das in den zentralen Partien den Leichnam Christi und die Jungfrau mit dem Kind zeigt, umrahmt von Kriegern, trauernden Frauen, Engeln und zeitgenössischen Ornamenten. Das Werk Bischofs blieb den Besuchern wegen der andauernden Renovierungsarbeiten zwar verborgen, sie wurden aber durch gehaltvolle und humorvolle Erzählungen des örtlichen Führers zu den anderen Schätzen der Kirche reichlich entschädigt. In der Krypta der Stiftskirche gewann ein 20 m langer gestickter Wandteppich aus dem ersten Viertel des 16. Jh., der das Leben des hl. Adelphus anschaulich erzählt, die Aufmerksamkeit der Gäste aus Rheinhessen. Angesichts begrenzter Mittel harren in der sehenswerten Kirche noch zahlreiche Zeugnisse der Vergangenheit einer fachmännischen Restauration und Präsentation.
Eine ganz andere Dimension der Ausstellung für ein großes Publikum aus aller Herren Länder erlebte die Reisegruppe im Straßburger Münster. Der kundige Reiseführer beschrieb zunächst den Bau und die lange Geschichte der Westfassade, erzählte das wechselvolle Schicksal der wundervollen Kirchenfenster und führte die Gruppe schließlich zum Bockschen Grabmahl in der St. Katharinenkapelle. Peter Bischof vollendete hier 1480 das mächtige Grab des Bürgermeisters Konrad Bock und seiner Frau Margarethe Beger(in) in der traditionellen Form des Todes Mariens („Dormitio“) und schmückte es mit seinem Steinmetzzeichen. Das Werk ist von den beiden Stifterfiguren samt ihren Familienwappen und zwei Engeln flankiert sowie mit verzierten Säulen und einem Halbbogen dekoriert. Die Inschrift auf dem Sockel lautet: „Anno domini MCCCCLXXX obiit Conradus bok armiger orate pro eo.“, auf Deutsch: „Im Jahre des Herrn 1480 starb der edle Conradus Bock. Betet für ihn.“
Die Strapazen des heißen Tages fielen am Abend ab, als die Gruppe in den weitläufigen Marienhof am Ortsrand von Flemlingen (Südliche Weinstraße) einkehrte, um nach der Rast von dort die letzte Tagesetappe anzugehen.